Neue Neonazi-Gruppe in Berlin: Verfassungsschutz hat „Jägertruppe“ im Blick
Die neue rechtsextreme Gruppe „Jägertruppe“ besteht teils aus bekannten Jungnazis. Verbindungen zur Bundeswehr gibt es laut Verfassungsschutz nicht.
Ein pathetischer Online-Auftritt und zwei Demoteilnahmen: Mit der „Jägertruppe“ gibt es seit Kurzem eine weitere rechtsextreme Jugendgruppe in Berlin und Brandenburg.
Die Gruppierung sei dem Berliner Verfassungsschutz seit Oktober bekannt, sagte Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) am Montag im Abgeordnetenhaus. In den sozialen Netzwerken habe diese zunächst „diverse rechtsextremistische Parolen und Ideologiefragmente“ verbreitet und einen „aggressiven und bedrohlichen Ton“ angeschlagen. Dann seien schnell „realweltliche Aktionen“ gefolgt, so Hochgrebe. Das Personenpotenzial liege im „unteren zweistelligen Bereich“.
Die „Jägertruppe“ war zuletzt mit einem eigenen kleinen Block auf dem Neonazi-Aufmarsch am 29. November in Berlin-Mitte vertreten, den Antifaschist*innen erfolgreich blockierten. Die Jungnazis trugen ein Banner mit dem Emblem der Gruppe – Berliner Bär und Brandenburger Adler vor zwei gekreuzten Gewehren, dazu der Name in Frakturschrift – und dem Slogan „Für Sicherheit und Ordnung – keine Toleranz für kriminelle Ausländer“.
Auch am rechtsextremen Aufmarsch gegen den CSD in Cottbus Mitte Oktober beteiligten sich 10 bis 15 Personen mit einem Transparent der „Jägertruppe“.
Michael Fischer, Verfassungsschutz
Die Instagram-Seite der Gruppe war erst Anfang Oktober erstellt worden. „Respekt, Ehre & Stolz“ heißt es in der Beschreibung; gepostet werden dort etwa Memes mit schwülstigen Nietzsche-Zitaten sowie Fotos und Videos von den kleinen Demos in Berlin und Cottbus.
Mit dem Namen wollen die Jungnazis wohl Bezug auf die Jägertruppe der Bundeswehr nehmen. Die ist Teil der Infanterie und erhält eine besondere Ausbildung für den Häuserkampf sowie den Einsatz in unwegsamem Gelände und Mittelgebirgen. Tatsächliche Verbindungen zur Bundeswehr habe man allerdings nicht feststellen können, betonte Berlins Verfassungsschutzchef Michael Fischer am Montag. „Der Name soll wohl vermitteln, man sei jagdbeflissen, kampf- und wehrbereit“, so Fischer.
Seit Sommer 2024 sind unzählige Social-Media-Seiten wie jene der „Jägertruppe“ entstanden. Sie sind Ausdruck einer neuen rechtsextremen Netz- und Jugendkultur. Viele davon bleiben im virtuellen Raum, wollen Eindruck schinden, ihr Aktionspotential ist gering. Oft steht nicht einmal eine Gruppe dahinter, sondern Einzelpersonen.
Einige aber fallen seit eineinhalb Jahren immer wieder mit Gewalt, Bedrohungen und Störaktionen auf, wie die „Deutsche Jugend Voran“ (DJV) aus Berlin oder die „Deutsche Jugend Zuerst aus Halle an der Saale. Vertreter dieser Gruppen wurden bereits zu Haftstrafen verurteilt.
Christian Hochgrebe (SPD), Staatssekretär für Inneres
Ohnehin gibt es häufig personelle Überschneidungen zwischen den Jungnazi-Gruppen. „Die Szene verändert sich schnell. Gruppierungen entstehen und verschwinden wieder“, berichtete Verfassungsschutzchef Fischer. „Das liegt auch an ideologischen oder persönlichen Meinungsverschiedenheiten: Man entzweit sich, dann gründet man eben eine neue Gruppierung.“
Zuletzt galt insbesondere die DJV als zerstritten und in der Szene isoliert. Die Gruppe suchte in der Folge unter anderem den Schulterschluss mit der Neonazi-Partei Die Heimat (ehemals NPD). Laut Tagesspiegel ist man auch in der „Jägertruppe“ nicht gut auf die Gesinnungsgenossen der DJV zu sprechen.
Tatsächlich sind wohl einige Ex-DJVler mittlerweile Teil der „Jägertruppe“. „Ein Teil der Anhängerschaft hat Vorlauf in der Szene, etwa bei der DJV“, bestätigte Staatssekretär Hochgrebe am Montag. „Es gibt aber auch viele neue Leute, die wir noch nicht so gut kennen“, ergänzte Michael Fischer. Die Mitglieder seien teils sehr junge Menschen im Teenageralter, teils aber auch schon Mitte 30, so Fischer. Die weitere Entwicklung der Gruppe wolle seine Abteilung nun im Blick behalten.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert